Das Vokabelpauken, also das isolierte Auswendiglernen von übersetzten Begriffen der Zielsprache ist die Basis jedes klassischen Sprachunterrichts. Es werden Kunstwörter (z.B. "Table-Tisch") trainiert, die losgelöst vom Kontext – und damit isoliert von einprägsamen und lebendigen Assoziationen – oft nur bis zur nächste Prüfung erinnert werden und daher schnell wieder im Unterbewusstsein versinken. Eine wirkliche Verankerung im vorhandenen Wissensnetz des Lernenden wird durch dieses Methode erschwert. Selbst gute Lerner sind daher oft bei Vokabeltests nur "auf den Punkt" fit und verlieren dann das Gelernte nach kurzer Zeit wieder aus dem Zugriff.
Die Übungstexte der Schulbücher sollen gelesen und in "schönes Deutsch" übersetzt werden. Damit wird aber die Möglichkeit genommen, die fremde Grammatik mit ihren Eigenarten und Unterschieden intuitiv zu entdecken. Obwohl "I am the one to ask" mit "Bei mir liegen Sie richtig" wunderbar und schön übersetzt ist, fehlt dennoch jegliche Beziehung zwischen den deutschen zu den englischen Begriffen. Kein einziges Wort der englischen Phrase findet in der deutschen Zeile seine Entsprechung. Die angestrebte "schöne Übersetzung" ist somit für das Erschließen der Zielsprache völlig ungeeignet.
So sehe ich - nach meinen Erfahrungen als Schüler in verschiedensten Schulformen -
die gängige Methode des Sprachenlernens.
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Im klassischen Sprachunterricht soll die Grammatik einer Fremdsprache durch das separate Lernen eines Regelkataloges gelernt werden. Mit ähnlich negativen Auswirkungen für die dauerhafte Speicherung wie das isolierte Vokabellernen. Das Verstehen eines in der Zielsprache gesprochenen Textes steht damit am Ende eines komplexen Vorgangs: Aus den gebüffelten Kunstwörtern soll mit Hilfe der gepaukten Grammatikregeln ein Inhalt konstruiert werden, der anschließend mittels "schöner" Übersetzung in die deutsche Sprache seinen finalen Sinn erhält. Wir transformieren das Gehörte in unsere Sprachwelt, statt uns auf die Sprachwelt des Ziellandes einzulassen und diese inklusive aller ihrer Eigenarten kennenzulernen und damit auch ganzheitlich zu verstehen.
Ähnlich unnatürlich verläuft auch das Sprechen nach den herkömmlichen Lehr- und Lernstrukturen. Vokabeln und Texte werden durch die Schüler unmittelbar selbst vorgelesen. Also ohne zuvor lange und wiederholt den akzentfrei vorgetragenen Text gehört zu haben. Die richtige Aussprache soll stattdessen durch die Lautschrift der Wörterbücher oder durch die Imitation der (zumeist nicht muttersprachlichen) Lehrperson erlernt werden.
Das freie Sprechen, also das Experimentieren und das Variieren der erworbenen Sprachkompetenz, der Smalltalk und die Unterhaltung kommen dabei oft viel zu kurz oder finden schlicht nicht statt. Die vorgeschalteten Lernschritte verschlingen den Löwenanteil der Lernzeit und beim Sprechen erlebt der Lernende dieselbe Frustration wie bei dem Versuch, die Fremdsprache verstehen zu wollen. Denn erneut muss der Umweg über Kunstwörter (Vokabeln) und Grammatikregeln genommen werden, um die gewünschten Aussagen in der Zielsprache zu konstruieren. Ein langwieriger, ermüdender und frustrierender Prozess, sowohl für den Sprechenden als auch für den Gesprächspartner. Und mangels ausreichend oft gehörter, von Muttersprachlern, also akzentfrei gesprochener Passagen, klingt das Ergebnis dann unüberhörbar... Denglisch.
Enttäuscht brechen viele Lernende das Abenteuer Fremdsprache, in das sie sich mit großen Erwartungen gestürzt haben, ab. Und die Tür zu einer ganze Welt voller Erlebnisse, Begegnungen, Kontakten und Zukunftschancen bleibt ihnen damit dauerhaft verschlossen.
Gerold Kalter
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